Lucie de Beaune (2005)

Frankreich 1670: Louis XIV sucht das Bündnis mit seinem Cousin König Charles von England, um mit ihm zusammen in den Krieg gegen die Niederlande zu ziehen. Dieses Bündnis zu vermitteln soll ihm seine ehemalige Geliebte Henriette von England helfen, Charles’ Schwester und Mitglied des französichen Hof. Aus zurückgewiesener Liebe aber grollt Henriette dem König und frönt ihrer Leidenschaft für die dramatischen Künste Corneilles und Racines.

Bischof Bossuet ersinnt eine Intrige, mittels derer Henriette gezwungen werden soll, des Königs Plan zu unterstützen. Der Intrige fällt die Zofe Henriettes, Lucie de Beaune, zum Opfer und wird unschuldig in die Bastille gesperrt. Aber ist sie wirklich unschuldig? Lucie nämlich plant ebenfalls, den Gang der Weltgeschichte zu verändern, und zwar durch ein Attentat. Oder ist ein Staat schon deshalb keine Diktatur, weil die Mehrheit der Bürger sich nicht wehrt?

Aus dem Akt III (1er Auftritt): “Seit frühester Kindheit hatte ich Freude daran, meinen Spielkameraden den Kopf zu verdrehen und ihnen die Gewissheit zu rauben, die sie mit der Wirklichkeit verband. Es reichte, für einen Moment die Kerze auszublasen und ein, zwei Sätze zu sagen, die sich mit der Dunkelheit zu einem neuen Bild verbanden, und schon hatte ich jeden in der Hand.Die Geschichten, die ich erzählte, waren mir im Grunde egal: Meine Freude war es, dass mir die anderen ausgeliefert waren, sobald sie das Reich meiner Fantasie betreten hatten. Auch später, als ich die Klosterschule besuchte, war ich meinen Freunden immer einen Schritt voraus. Noch vor meiner Weihe zum Priester habe ich es geschafft, dem Kirchenobersten weiszumachen, dass er schon bald vor mir knien würde. Den Moment, als es so weit war, hab ich sehr genossen. Heute bin ich Bossuet, der Bischof von Condom. Als schliesslich auch der König vor mir auf die Knie fiel, als auch er sich selbst und seine Vernunft an mich verraten hatte, da wusste ich: Die niederträchtigsten, gewalttätigsten Menschen sind auf meiner Seite. Ja, ich habe das ganze Land in meinen Händen. Und ich bin doch nur eine Nebenfigur. Manchmal aber schreckt mich ein Albtraum aus dem Schlaf. Ich wache auf und bin allein, vollkommen allein. Auf mich selbst gestellt, in einer Welt, die mir nichts glaubt, ohne dass ich es bewiese. Eine Welt, die einfach nur ist, was sie ist. Vater, habe ich gesündigt? Oder hab ich Ihren Willen erfüllt? Vater?” (Bossuet)

Teil II der Trilogie “1670”, von Igor Bauersima und Réjane Desvignes

Mit
Birgit Stöger (Lucie de Beaune, Tochter des Vicomte de Beaune, Magd von Henriette d’Angleterre)
Mira Bartuschek (Henriette D’Angleterre, Schwester von Charles II, Gemahlin von Philippe d’Orléans, dem Bruder des französischen Königs)
Fabian Kruger (Louis XiV, König von Frankreich)
Julie Brauning (Marquise de Montespan, Geliebte von Louis XIV)
Ludwig Boettger (Jacques Bossuet, Bischof von Condom)
Mathias Redlhammer (Nicolas de Lareynie, Polizeichef von Paris)
Florian Stetter (Gaston Lebret, Polizeibeamter)
Mira Bauschek (Catherine Lavoisin, Geschäftsfrau)
Hofstaat, Vagabunden

Musiker:
Oleksiy Stukalenko (Klavier)
Liana Tretyakova (Geige)
Ilya Andrianov (Cello)
Herbert Kramis (Kontrabass)

Regie und Bühne –  Igor Bauersima
Mitarbeit Bühne – Alexandra Deutschmann
Video –  Georg Lendorff
Musik –  Efim Jourist
Licht –  Ginster Eheberg

Kampfszenen – Lukas Schmocker
Choreographie –  Roy Bosier
Dramaturgie – Andreas Erdmann
Regieassistenz – Jan Stephan Schmiedling
Assitenz Bühne – Maria Mahler
Kostümassistenz – Maja Kuhn
Kostümhospitanz – Simona Baumgartner
Assistenz – Choreographie Zenta Haerter
Souffleuse – Rita von Horvath
Inspizienz – Irene Herbst

Uraufführung 17. September 2005 | Schauspielhaus am Pfauen, Zürich

“Die eigentliche Überraschung des Zürcher Premieren Marathons ist diese “Lucie de Beaune”, die als brillant gestextetes Versdrama à la Corneille oder Molière daherkommt, stilecht in Kostüme des 17.Jahrhundert verkleidet ist ind von den modernen Theatermöglichkeiten scheinbar bloss in der Hinsicht profitiert, als mit Hilfe von Videoprojektionen ein rasant sich wandelndes mit imposanten Bildern und Räumlichkeiten arbeitendes Bühnenbild herbeigezaubert wird, das allein die Aufführung schon sehenswert macht.” (Der Bund)

“Es ist alles ziemlich toll gemacht: verspielt, temporeich, in fast jeder Szene eine überraschende Wendung, Intrigen und Gegenintrigen und nicht zuletzt ein famoses Ensemble”.  (WOZ)

© Igor Bauersima und Réjane Desvignes, S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main