Kap Hoorn (2010)

Ein Mann mittleren Alters kehrt ins abgeschiedene Paradies seiner Jugend zurück: an jenen Seestrand, an dem er – so erinnert er sich – die vollkommensten Tage seines Lebens verbracht hatte. Hier war er ganz er selbst gewesen, ein freier Mensch. Von hier aus konnte die Welt erobert werden. Heute verspricht er sich, dass ihm der Ort diese ursprüngliche Kraft der Unschuld zurückgeben kann, die Gewissheit und Ruhe, die er seit Jahren vermisst. Hier kann er sein “wer er ist“. So jedenfalls erklärt er der abweisenden, alten Dame aus guter Familie, warum er sich für ihr heruntergekommenes Strandhaus interessiert. Die vereinsamte Frau, die von ihrem Lebensabend nichts mehr erwarten mag, lässt sich herab und zeigt plötzliches Interesse für den Unbekannten. Das ungleiche Paar scheint dafür gemacht, die Probleme des jeweils anderen zu lösen. Aber hinter der aufblühenden Beziehung der beiden versteckt sich nicht nur die Ahnung einer unwahrscheinlichen Liebe, sondern auch ein tödliches Verhängnis aus Täuschung und Selbstbetrug.

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“Wenn es darum ginge, dem Stück ein Genre zuzuordnen, dann würde ich es ein Zwei-Personen-Mysterium nennen. Es ist eine Liebesgeschichte zwischen einer sehr alten Frau und einem jüngeren Mann. Es ist eine Tragikomödie über Selbsttäuschung, eine Oedipus-Variation, ein Drama über den ewigen Versuch “nach Hause” zu kommen und eine Heimatfarce. Welche Heimat wollen wir, welche steht zur Verfügung, welche Heimat fühlen wir, welche Heimat haben wir tatsächlich und welches Erbe treten wir an…” (IB)

 

Darsteller: Ulli Maier (Cléo Lefreyd), Alexander Pschill (Martin Solman) Regie und Bühne: Igor Bauersima, Video: Georg Lendorff, Kostüme: Johanna Lakner

Uraufführung – am 9. Dezember 2010, Theater in der Josefstadt, Wien,   (www.josefstadt.org)

“Alexander Pschill lässt als Martin wieder seinen Charme spielen; eloquent bis zur Geschwätzigkeit versucht er, die alte Dame einzuwickeln. Ein nervöser Nervenarzt als moderner Ödipus. Einer, der des Wahnsinns, den er entfacht, eigentlich müde ist. Ulli Maier als Cléo – Bauersima wünschte als weiteren Verfremdungseffekt eine viel jüngere Schauspielerin für die Rolle – ist ganz Typ grimmige Großmutter. Leicht hätte diese Figur zur Karikatur werden können, Maier aber stellt einen Menschen mit all seinen kleinen Vergesslichkeiten und Verwirrtheiten auf die Bühne. Für beide gab’s verdienten Applaus”. (Kurier, 11.12.2010)

“Ulli Maier, die viel, viel jünger ist, gibt der wortreichen Rolle mit arthritischen Altersverbiegungen und mal brüchiger, mal blechener, doch immer eindringlichen Stimme ein sensationelles Bühnenleben. Das Muttertier leidet, denn es hat sein Kind zur Ermordung weggegeben. Es ist ein Leid an existenzieller Leere, die kein Traum vom Kap Hoorn ausfüllen kann. Solche Verlorenheit darzustellen ist schwieriger als jedes Schmerzenszeichen wie Tränen und Haareraufen. Ulli Maier kann es”. (Wiener Zeitung, 11.12.2010)